Die Aktie von E.ON ist seit ihrem Hoch Ende Januar in der Spitze um 38% gefallen. Die Ursachen für die Verkäufe in der E.ON-Aktie sind vielfältig.
Die Angst vor Preisobergrenzen bei Strom
Gut für Verbraucher, aber schlecht für Stromproduzenten. Die EU-Kommission hat in einem kurzen Papier dem Europäischen Rat Ende März kurzfristige Eingriffsmöglichkeiten in die Preisbildung auf den Strom- und Gasmärkten beschrieben. Dazu zählt auch die Begrenzung der Großhandelspreise für Strom, was sich zu einem Risiko für E.ON entwickeln könnte. In den Papier heißt es:
"Kraftwerksbetreiber, die auf den Großhandelsmärkten ihren Strom zu Preisen anbieten, die über dem "Cap" liegen, müssten finanziell entschädigt werden. Nur so könnte sichergestellt werden, dass Kraftwerke mit höheren Erzeugungskosten tatsächlich Strom produzieren. Sollte eine solche Preisgrenze nur in einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt werden, käme es zu Verzerrungen des grenzüberschreitenden Stromhandels. Insbesondere würde subventionierter Strom in Länder ohne Cap exportiert."
Noch ist unbekannt, wo diese Preisobergrenze tatsächlich liegen soll. Für E.ON könnten dann Verluste entstehen, die vielleicht über staatliche Ausgleichszahlungen wieder ausgeglichen werden können. Wie das dann wiederum funktionieren soll ist ebenfalls ungewiss. Ein Risiko für Investoren. An den Strombörsen könnte eine Situation eintreten, die man von "Limit Up"-Handelsbeschränkungen an Terminbörsen kennt, an denen die Preise für einen Terminkontrakt an einem Tag zu stark gestiegen sind. Hier werden Preisobergrenzen ebenfalls nach im Vorfeld festgelegten, maximalen Anstiegen pro Tag festgelegt. Ist Preis um diese Menge gestiegen, wird der Handel an diesem Tag für den entsprechenden Markt beendet bzw. auf dem "Limit Up"-Preis eingefroren. Erst am nächsten Tag eröffnet der Markt wieder, hat dann aber wieder die Möglichkeit, um den gleichen "Limit Up"-Betrag erneut anzusteigen, bevor es wieder zu einer Handelsunterbrechung kommt.
Dabei handelt es sich nicht wirklich um eine Beendingung des Handels im klassischen Sinne. Wenn die Preise eingefroren werden ist ein Handel weiterhin unterhalb des "eingefrorenen" Preises möglich, allerdings gibt es keine Verkäufer, die ihre Ware zu einem niedrigeren Preis anbieten möchten. Diese Situation führt dazu, dass nach einem Limit Up faktisch der Handel oft für den gesamten Tag endet, außer es tauchen eben Verkäufer auf, die unter dem "Limit Up" geben möchten. Diese Situation könnte auch an den europäischen Strombörsen eintreten, wodurch eine große Unordnung und Orientierungslosigkeit eintreten könnte. Es ist nicht verwunderlich, dass sich E.ON gegen eine solche Preisobergrenze ausgesprochen hat.
E.ON hält Aktien an der Nord Stream AG
Wie es mit der Gasversorgung aus Russland weitergehen wird, ist ungewiss. Im Planvermögen für Pensionen hält E.ON eine Beteiligung an der Nord Stream AG, deren Wert im ersten Quartal 2022 bereits ergebnisneutral um einen dreistelligen Millionenbetrag reduziert worden ist. Die Wertentwicklung der Beteiligung an der Nord Stream AG ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor.
Eine Pleitewelle vergleichbar mit Lehman Brothers?
Wirtschaftsminister Habeck fand in der Pressekonferenz zur Ausrufung der Alarmstufe Gas drastische Worte. Die Alarmstufe Gas ist die zweite von drei Eskalationsstufen des Notfallplans Gas, der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vorgestellt wurde. Die Alarmstufe zeigt den Ernst der Lage: Laut Habeck droht eine Wiederholung der Lehman-Krise, nur dieses Mal im Energiesektor. Während sich der Fokus auf die bereits von E.ON abgespaltete Uniper im Gasgeschäft konzentriert, hat auch E.ON ein Gegenpartei-Risiko. Schließlich ist E.ON Teil des Energiesektors, und eine Pleitewelle im Stil von Lehman Brothers lässt sich kaum in ihrem genauen Ablauf prognostizieren. Staatliche Hilfen wären möglich, und damit eine mögliche starke Verwässerung der E.ON-Akionäre, sollte der Staat mit Hilfen einspringen müssen. Im Moment gibt es hierfür keine Anzeichen. Aber niemand kann sagen, wie die Situation am deutschen Energiemarkt weitergehen wird, wenn das nicht ersetzbare Gas aus Russland nicht mehr fließt.
Zinsanstieg nützt E.ON
Die wirtschaftliche Netto-Verschuldung von E.ON wuchs im ersten Quartal 2022 um 0,1 Milliarden Euro auf 38,9 Milliarden Euro. Die Zinsen für neue Unternehmensanleihen dürften mit den gestiegenen Marktzinsen ebenfalls zunehmen, allerdings hat E.ON mit der Ausgabe von neuen Anleihen seinen Finanzbedarf für 2022 bereits komplett gedeckt. Hinzu kommt ein positiver Nebeneffekt höherer Zinsen: Die Pensionsrückstellungen von E.ON sind deutlich gesunken.
Attraktive Dividendenrendite
E ON hat Aktionären für das Geschäftsjahr 2021 eine Dividende von 0,49 Euro pro Aktie ausgeschüttet, was einer Rendite von 6,2% bei einem Kurs von 7,88 Euro entspricht. Diese Dividende soll pro Jahr um 5% wachsen, sodass im kommenden Jahr 0,51 Euro pro Aktie oder fast 6,5% Dividendenrendite winken. Allerdings auch unter dem Vorbehalt, dass es nicht zu einer Eskalation der Situation am deutschen Energiemarkt kommt. Denn dann wäre wohl auch die Dividende nicht mehr sicher.
E.ON-Aktie vor Test der Bodenbildung
Das Hoch des März des Jahres 2017 bildet den Ausgangspunkt einer Bodenbildung, die auch nach dem jüngsten Kursrutsch noch als intakt bezeichnet werden kann. Solange wir uns über diesem Kurs befinden, hat diese Aussage weiter Bestand. Dieser Kurs liegt bei 7,595 Euro. Ein Rutsch unter diesen Kurs käme einem Infragestellen der damaligen Bodenbildung gleich. Halt könnte dann eine sekundäre Unterstützung des Bodens des Jahres 2017 bei 7,01 Euro bieten. Darunter wäre die Bodenbildung gefährdet, gebrochen zu werden. Ein Test des Allzeittiefs bei 5,993 Euro könnte dann drohen. Nach oben besteht die Chance bei einem Verteidigen von 7,595 Euro bis auf 8,585 Euro (ungefähr das Monatshoch soweit im Juli) sowie darüber 9,197 Euro.
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